Flut im Brachland

18. März 2025
  • Flut im Brachland
  • Trocken über Ufer brach ein Bach
  • Das Bachbett brannte kantigen Ton hart
  • Brachte spröde Öde, irre Dürre
  • Erden wurden irden
  • Schilfwände Schürfwunden
  • Und Flutbrachen Blutlachen
studiert Literaturwissenschaft und ist Redaktionsmitglied der Germanistikzeitschrift Denkbilder. Er liebt Lyrik vor allem dort, wo sie klingt.

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Bäche Brachen Lachen

Bei Luan Berisha hebt uns die Erde nicht auf, wie Tom Schulz schreiben würde, sondern macht uns fertig, brennt uns aus, lässt uns auf dem Trockenen sitzen und die Wunden lecken. Das Einzige, das fliesst, ist Blut, wobei die Polysemie von Blutlachen, dem letzten Wort von sieben Zeilen lesenswerter Lyrik, unterstellt gewollt ist. Ansonsten ist hier nichts komisch, alles kantig und hart, spröde und rau, korrespondiert «irre mit irden», macht der Ton die Musik einer säkularisierten Litanei ohne viel Luft nach oben. Hier ist alles geerdet, in der Diktion hochverdichtet, besteht der poetische Resonanzboden aus klingenden Vokalgittern wie «Bach - Bachbett - brachte, spröde - Öde, Dürre – Schürfwunden», an denen man sich wahlweise stossen, schneiden – oder sich aber assoziativ von ihnen inspirieren lassen kann. Denn in Berishas gedichtetem Brachland wimmelt es nur so von Referenzen, da erinnern die Materialität der Sprache und die starke, apokalyptische Bildlichkeit nicht zuletzt an The Waste Land von T. S. Eliot und gäben sicher auch die semantische Kulisse für ein Theaterstück von Samuel Beckett ab. Mir gefällt diese lyrische Schorfheide, ein gelungenes Beispiel für die Climate Poetry von heute, ausnehmend gut.

Manfred Luckas

Lektor, Literaturwissenschaftler und Autor aus Köln, schreibt alles, was kurz ist – vor allem Prosagedichte – und hat eine Schwäche für gute, gegenwärtige Lyrik.

3. August 2025 | Manfred Luckas im Netz

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